Stellungnahme und Richtigstellung zu den Ereignissen im Schwarzwaldstadion am 29.10.19
Am gestrigen Dienstag, den 29.10.19, gastierte unser 1. FC Union Berlin e.V. in der zweiten Runde des DFB-Pokals beim Bundesligateam des SC Freiburg. Dass diese Paarung sportlich nicht gerade als Traumlos betrachtet wurde, konnte dank des 3:1 Auswärtssieges entkräftet werden. Die eine Eskalation billigend in Kauf nehmende Strategie der örtlichen Polizei wirft auf das erfolgreiche Pokalspiel jedoch in der Nachbetrachtung einen tiefschwarzen Schatten.
Wie der unmittelbaren Reaktion der Nordtribüne Freiburg zu entnehmen ist, sind unverhältnismäßige Polizeieinsätze im Schwarzwaldstadion Alltag. „Woche für Woche behandelt die Polizei […] Fußballfans wie Schwerkriminelle“ lautet der zentrale Vorwurf der Stellungnahme der Freiburgfans. “…und tut selbst alles dafür, dass ein komplett friedliches Auswärtsspiel zu einer Polizeimeldung werden kann“ ergänzt die Eiserne Hilfe gern.
Während die Polizei in ihrer Darstellung eine teilweise sachlich falsche Ereigniskette konstruiert, ignoriert sie komplett, dass das Verhalten ihrer Beamt*innen der Auslöser und Grund für eine sinnlose und augenscheinlich provozierte Eskalation war. Die nachfolgende Darstellung erfolgt nach Rücksprache mit Betroffenen, Beschuldigten und unbeteiligten Zeug*innen.
Richtig ist, dass ein Teil der mitgereisten Berliner Fans kurzzeitig am Rand einer Straße für ein Foto posierte. Die Polizei scheint jedoch vergessen zu haben, dass ein uniformierter Beamter der Beweissicherung- und Festnahmeeinheit (BFE) mit seiner Spiegelreflexkamera minutenlang dieses Gruppenfoto für grundlose erkennungsdienstliche Fotos, gepaart mit Provokationen, nutzte. Dies war auf der bis dahin komplett gewalt- und störungsfreien Anreise der erste Schritt der Anti-Deeskalation der Polizei und führte zu nicht zu entschuldigenden, aber zu erwartenden Reaktionen (Becherwurf, Beleidigungen). Wir hinterfragen an dieser Stelle allerdings auch, ob dies den harten Zugriff für eine Personalienfeststellung nach Betreten des Stadions rechtfertigt.
Korrekt ist auch, dass einige für Zaunfahnen verantwortliche Berliner Fans, nachdem sie geduldet und erlaubt – wie es in Stadien oft üblich ist – die Zaunfahnen im Innenraum aufgehängt hatten, einen Block ohne dafür vorhandene Eintrittskarten betraten, um dort den Rest der Zaunfahnen aufzuhängen. Korrekt ist auch, dass hierbei an den Ordner*innen vorbeigegangen wurde, Gewalt wurde dabei aber nicht verübt. Im Gegenteil, die Absicht war klar erkennbar, und der im Bericht als rucksacktragender „Haupttäter“ Dargestellte betrat nach übereinstimmenden Zeugenaussagen den Block mit erhobenen Händen und verließ ihn, nachdem die Fahnen befestigt waren. Der Maximalvorwurf bezieht sich also auf das Erschleichen von Leistungen, wobei angesichts der als bekannt vorauszusetzenden Fahnenkultur im deutschen Fußball und dem Verlassen des Blocks nach 10 Minuten dieser Vorwurf womöglich lächerlich klingen mag.
Wahr ist ebenfalls, dass der Festgehaltene mit dem Rucksack zur Wache geführt worden ist. Den entscheidenden Eskalationsbeitrag leistete die Polizei (die EH ist geneigt, den „SuKB/Szeneunkundigen Beamten“ als Wortneuschöpfung einzuführen) selbst: trotz mehrfachen Einwirkens von Fanbetreuung, Fanprojekt und dem Festgehaltenen selbst wurde unverständlicherweise der Rucksack inkl. mehrere Zaunfahnen eingezogen. Selbst die meisten Fernsehzuschauer*innen dürften die Darstellung der Polizeimeldung teilen, dass dies „nach aktueller Einschätzung der Auslöser der Eskalation“ war. Nicht zu entschuldigen wären ein Teil der von der Polizei behaupteten Reaktionen der Berliner Stadionbesuche*innen. Über den Hergang und Umfang, sich laut Polizei vermeintlich vermummte etwa 60 Gästefans und deren Versuch, an den Festgenommenen zu gelangen, äußerten sich Augenzeug*innen jedoch sehr unterschiedlich. Folglich ist die Darstellung der Freiburger Polizei kritisch zu sehen und die Situation mitnichten so eindeutig, wie in der Pressemitteilung beschrieben.
Die Situation war sofort beruhigt, als die Zaunfahnen wieder herausgegeben wurden. Auf Grund der ungerechtfertigten und überzogenen Handlungsweise der Polizei stellte zunächst unsere aktive Fanszene und nach Rücksprache auch die des SC Freiburg den organisierten Support ein.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass der „Rucksackträger“ das Spiel zum Großteil auf der Stadionwache und später vor dem Stadion verbringen musste, obwohl er sich stets kooperativ den Beamt*innen gegenüber verhielt. Welche weiteren Konsequenzen auf ihn zukommen, wird abzuwarten sein.
Festzuhalten bleibt in Summe, dass die Provokation des BFE-Fotografen, der überzogene Einsatz beim Fahnenaufhängen sowie das fast schon unglaublich fehlende Verständnis für Fankultur und die Entwendung der Zaunfahnen jede einzelne mutmaßliche Reaktion herbeigeführt hat.
Die Eiserne Hilfe wünscht allen Verletzten gute Besserung. Wir wünschen ebenfalls eine reflektierte Aufklärung der Ereignisse und dass die eingesetzten Beamte*innen ihrer originären Aufgabe nachkommen, und nicht selbst zu Brandstifter*innen werden.
Fußballfans sind keine Verbrecher*innen – zumindest nicht, weil sie Fußballfans sind und Zaunfahnen aufhängen.
Eiserne Hilfe, 30.10.19